21.02.2007

Die Linie

Der Begriff Fotografie (ursprünglich Photographie) stammt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich „mit Licht eingeritzt/einritzen“ von griech. photos: Licht und graphein: einritzen. Das spiegelt die technischen Besonderheiten des Prozesses ab.

Linien vom Gesichtspunkt der Komposition

Der Begriff Fotografie (ursprünglich Photographie) stammt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich „mit Licht eingeritzt/einritzen“ von griech. photos: Licht und graphein: einritzen. Das spiegelt die technischen Besonderheiten des Prozesses ab.Vom Gesichtspunkt der Komposition, die Grundlage der Fotografie sind die Linien.

Sie übergeben, zusammen mit Farbton und Emotionen die Dynamik des Sujets, zwingen den Zuschauer zu denken und zu fühlen. Mit Hilfe der Linien gelingt es dem erfahrenen Fotograf den Blick des Zuschauers zu leiten und ihn auf die wichtigen Details der Aufnahme zu richten. Die Linien der Kraft sind die Konturen der Objekte, die auf der Aufnahme gelegt werden. Auf den Schwarz-Weißaufnahmen sind sie stärker geäußert, da unser Blick wird nicht auf die große Menge der Farben abgelenkt. Solcher Effekt wird in der Kunstfotografie häufig verwendet.

Jeder Typ der Linien trägt seine emotionale Färbung bei. Die gerade Linie äußert die Aktivität und die Schnelligkeit. Wenn sie aber horizontal gelegen ist, so schafft sie den Eindruck der Ruhe und Gemütlichkeit. Ein offensichtliches Beispiel ist die Linie des Horizontes – es ist schwierig, sich etwas mehr statisches zu vorstellen.Leicht gebogene Linien übergeben die Schlaffheit und Entspannung. So sehen die Ufer der meisten Wasserbecken aus.

Die stark gebogene Linie zwingt den Blick stehenzubleiben und gibt der Komposition den Effekt der Verzögerung. Die Spirale äußert die Gespanntheit und die Lebenskraft. Die welligen Linien geben den Rhythmus der Aufnahme auf. Wenn man parallele Linien benutzt, steigert Effekt der Instabilität und Fließbarkeit in der Komposition.

Die Nutzung der Diagonalen ermöglicht es, die Aufnahme ungewöhnlich und attraktiv zu gestallten. Bei der Fotografie, wie auch bei einem beliebigen Rechteck, unterscheidet man zwischen zwei Diagonalen: aufsteigender und absteigender. Die aufsteigende Diagonale (auch „Dur-Diagonale“ genannt) geht von der linken unteren Ecke zu dem rechten oberen. Die auf ihr gegründete Komposition ruft die positiven Emotionen herbei.

Die Bewegung der aufsteigenden Diagonale entlang ist sehr leicht und schnell. Die Bewegung auf einer absteigenden Diagonale („Moll-Diagonale“) äußert im Gegenteil die Gespanntheit (nach oben) und die Leichtigkeit (nach unten). Als sowohl mit horizontalen als auch mit vertikalen Linien, können diagonale Linien, die durch ein Image wiederholt werden, sehr wirksame Muster schaffen, die selbst leicht zum Thema einer Fotographie werden können. Ein kürzlich gepflügtes Feld oder die Kämme auf einer Sand-Düne könnten gute Beispiele davon sein.

Linienähnliche Motive

Das Motiv hat selbst den Charakter einer Linie. Beispiele sind Telegrafenleitungen, Eisenbahnschienen, Straßenmarkierungen und Ketten. Wie schon beim Punkt ergibt sich auch hier die Erkenntnis, dass die fotografische Linie durchaus eine Dicke und eine Struktur enthalten kann.

Konturlinien

Die Linie ergibt sich durch die äußere Grenze einer Form (Konturlinie). Am offensichtlichsten äußert sich dieser Zusammenhang bei Gegenlichtsilouhetten, wenn die Konturen als feiner Lichtsaum aufleuchten.

Virtuelle Linie

Treten in einem Bild mehrere Punkte (mindestens drei) in geeigneter Anordnung (zumeist als Reihung) auf, so werden diese von unserer Wahrnehmung gedanklich zu einer virtuellen Linie verbunden. Das Auge schließt auch größere Abstände zwischen Punkten und von Punkten zum Bildrand zur optischen Linie. Eine Erste wird gebildet durch die Lichter an der Dachkante des Gebäudes im Hintergrund. Zwei weitere Linien entstehen durch die Lichter der Promenade resp. deren Spiegelung im Wasser. Auf den ersten Blick etwas weniger auffällig: Die Linien gebildet durch die Baumkronen und wiederum durch deren Spiegelung. Die Boote bilden eine weitere Linie.

Die virtuelle Linie entspricht dem Aspekt der Zusammenfassung von Einzelteilen zu einem Ganzen in der Gestaltpsychologie (nach dem gleichen Vorgehen werden auch virtuelle Formen gebildet).

Bewegungslinie

Bewegung kann ebenfalls Ursprung einer Linie sein.Jede Linie ist immanent Träger des Bewegungscharakters. Ist sie im Entstehen nur potentiell bewegt, d.h. sie kann durch Bewegung entstanden sein, so ist sie beim Sehprozess immer mit Bewegung verbunden, weil das Auge die Linie abfahren muss um sie wahrzunehmen, das heißt, das Auge muss eine Ortsveränderung vollführen.

Gerade und freie Linien

Linien können auch nach Geraden und freien Linien unterschieden werden. Gerade Linien haben ihren Ursprung oftmals im technischen oder architektonischen Bereich,…

Je nach Art der Linie, ob kleine oder große Wellenlinie, Zickzacklinie, eckige oder natürliche Linie oder jede Art freier Linie wird die Linie anders empfunden. Der Liniencharakter kann durch andere Gestaltungselemente unterstütz oder abgeschwächt werden. So ist z.B. hartes Licht mit starker Betonung von Licht und Schatten denkbar zur Unterstützung des Charakters einer eckigen Linie.

Die Linie im Bezug zur Bildfläche

Im Bezug zur Bildfläche kriegt die Linie eine Richtung. Waagrechte, senkrechte und diagonale Linien sind für das Auge nicht bildflächenfremd. Ihre Richtung steht in einfacher Beziehung zu den Rändern des Bildes, die Horizontale und Vertikale laufen parallel zu den Bildrändern, die Diagonale ist flächenabtastend.

Durch die Wahl von Hoch- oder Querformat können senkrechte resp. waagrechte Linien in ihrer Wirkung unterstütz oder gehindert werden. Motive mit vorwiegend vertikalen und horizontalen Linien geben einen Eindruck von Ordnung und Stabilität. Weitere Linien sind mit der Bildfläche weniger verbunden und bringen deshalb eine Unruhe in den Bildraum, welche unter Umständen nach einem Ausgleich durch ruhige Elemente (z.B. waagrechte Linie oder statischer Punkt) verlangt.

Die Horizontale

Die Horizontale passt am besten in eine Fläche, die querformatig ist. Zieht sie sich über die ganze Breite, so teilt sie das Querformat in zwei liegende flache Rechtecke (beidseitig der Linie). Stärker zur Geltung kommt der flächenteilende Aspekt in einem Hochformat. Die Waagechte ist eine ruhige Linie. Gestaffelte horizontale Linien vermitteln den Eindruck von Tiefe.

Die Senkrechte

Der Horizontalen entgegengesetzt ist die Wirkung der Vertikalen (Senkrechte), sie hat keinerlei in die Weite führenden Eigenschaften.Entsprechend ergibt sich eine Wirkung der Nähe und somit auch der Wärme (analog zur Farbe rot, bei welcher von Wärme auf Nähe geschlossen wird). Als Folgerung daraus können wir jetzt für die Waagrechte den Eindruck von Kälte postulieren (Kalt-Weit-Paar).Unterstützt wird die Senkrechte durch ein Hochformat. Im Querformat kommt vor allem der flächenteilende Aspekt der Senkrechte zum tragen. © Alex Samoylovich

Diagonalen

Diagonalen haben eine starke Bewegungstendenz, sie wirken dynamisch.Gleich wie die Waagrechte und die Senkrechte haben auch Diagonalen die flächenteilende Eigenschaft, die Bildfläche wird in zwei Dreiecke unterteilt. Da Dreiecke ebenfalls eine Richtungstendenz aufweisen, entsteht bei Diagonalen auch immer ein unterschwelliger Ansatz zur Gegendiagonale. © Alex Samoylovich

Für Hoch und Querformat sind die Diagonalen nicht identisch. Im Hochformat verläuft die aufsteigende Diagonale recht steil und stellt dem Betrachter ein höherer optischer Widerstand entgegen, resp. stellt bei gleicher Steigung keine Diagonale mehr dar.

Für die fallende Diagonale von links oben nach rechts unten sind ausgleichende Elemente unbedingt notwendig, ansonsten verlässt das Auge die Fläche rechts unten (Rutschbahneffekt). Diese Tendenz wird beim Hochformat noch verstärkt.

Schräge Linien

Freie Geraden, also alle Linien, die zwischen der Horizontalen, der Vertikalen und der Diagonalen sind flächenfremd, d.h. ihre Lage lässt sich nicht in einfachen Bezug zur Bildfläche bringen. Entsprechend bergen diese Linien die Gefahr großer Unruhe. Eine „Beruhigung“ ist wiederum möglich durch einen ruhigen Ausgleich (geeignet dafür sind horizontale oder vertikale Linien) oder durch Schaffen von Ordnung (gegenseitige Bezüge) innerhalb der schrägen Linien.Optische Ordnung für schräge Linien sind z.B. ein deutlich zu sehender (innerhalb der Bildfläche) oder ahnender (außerhalb der Bildfläche) gemeinsamer Fluchtpunkt.

Möglich ist auch die Anbindung der Schräge an eine Ecke, dadurch ergibt sich ein Flächenbezug. Weiter denkbar ist (rhythmische) Wiederholung der schrägen Linie.Schräge winklige Linien stehen für Vorwärtsbewegung oder Fallen und vermitteln derart ein Gefühl von Aktion oder Dynamik.

Leitlinien

Immer wieder liest man von Leitlinien, welche das Auge des Betrachters zum wesentlichsten Aspekt des Bildes führen würde. Beliebt für solche Argumentationen sind Bilder mit einem ein Hügel hinauf führenden s-förmig verlaufenden Weg, welcher zu einem Baum führt. Das Auge soll sich also ähnlich wie ein Wanderer den Weg entlang bewegen.

Diese Annahme widerspricht der Gestaltpsychologie, gemäß welcher das persönliche Interesse ein Bild in Figur und Hintergrund aufteilt. Das Auge wandert nicht entlang einer Linie und entdeckt derart das Zentrum des Interesses, der Baum ist längst als Figur gewählt, wenn das Auge den Verlauf des Weges abtastet.

Fazit

Die Linien, die in Images gefunden werden können, sind sehr starke Elemente, die mit ein wenig Praxis hohen dynamischen Einfluss zu einer Aufnahme in Bezug auf die Stimmung hinzufügen können. Sie helfen den Zuschauer in Mitte der Aufnahme zu bringen. Das Lernen, wie man Linien in der Fotografie verwendet, geschieht nicht auf Einmal. Man braucht Zeit und Praxis, um gut daran zu werden.

(Alle Bilder stammten von Alex Samoylovich, Azubi Mediengestalter Bild und Ton bei der Macromedia)